Kolumbien. Von ganz nah besehen.

«Erwache Christ, die Verfolgung kommt….» , dieses Lied hat ihm die Mutter jeden Tag vorgesungen, erinnert sich Felipe Monroy beim Anflug auf Bogotà. Hier wurde er geboren, hier verlebte er eine bittere Kindheit, hierher kehrt er nach zehn Jahren Emigration zurück. Mit einer Idee, genauer: dem anspruchsvollen Projekt, die Erinnerungen an seine Kindheit in einem Film aufzuarbeiten.
Es dürfte ihn einiges an Überzeugungskraft gekostet haben, bis seine Mutter vor der Kamera so freimütig über ihr Leben und ihre politischen Ansichten erzählt. Noch schwieriger waren sicher die Interviews mit seinem Vater, der die Familie sehr früh verlassen hatte und seither als Obdachloser auf der Strasse lebt. Das ganze Elend dieser Familie, die allgegenwärtige Gewalt in diesem Land, das seit fünfzig Jahren im Kriegszustand ist, die bigotte Frömmigkeit, die dem arg gebeutelten Volk wenigstens für später den Himmel verspricht… all das überfällt den Regisseur Felipe Monroy wieder mit aller Wucht. Und man spürt: Er kann durch die Realisation dieses Films vielleicht das Erlebte heute aus einer gewissen Distanz sehen. Aber der nächste Schritt, nämlich Frieden zu schliessen und sich zu versöhnen mit der eigenen Vergangenheit, gelingt ihm (noch) nicht, zu tief sind die Wunden.
«Man sucht sich seine Familie nicht aus. Und auch nicht das Land, wo man geboren wird», sagt er. Aber er hat sich dennoch auf die Reise zu seinem Inneren aufgemacht – und nimmt den Zuschauer im Film «Los fantasmas del Caribe» mit, um ihm ein anderes als das touristische Kolumbien zu zeigen. Ein weniger schönes als auf den Hochglanzbildern im Reiseprospekt. Aber ein umso beeindruckenderes.






